Snæfellsnes - auf zum Mittelpunkt der Erde
"...wer genau in den Krater des Snæfellsjökull hinabsteigt, welchen der Schatten des Skartaris vor dem ersten Juli liebkoset, gelangt zum Mittelpunkt der Erde..." heißt es bei Jules Verne (Die Reise zum Mittelpunkt der Erde). Wie die Geschichte ausgeht, sollte wohl allgemein bekannt sein. Wir hatten jedenfalls nicht vor, es Professor Lidenbrock und seinem Neffen gleich zu tun, aber am Fuß dieses gigantischen Vulkans wollten wir schon gern einmal stehen.
Auf unserer sechstägigen Islandtour 2014 blieb uns leider nur ein Tag um die magische Halbinsel zu erkunden. Von Bifröst, nahe Borgarnes, hier war unsere Unterkunft, brauchten wir reichlich eine Stunde um nach Arnarstapi zu gelangen. Das kleine Fischerdorf befindet sich fast am westlichsten Zipfel der Halbinsel und eben am Fuß des Snæfellsjökull. 1.446 ist der Stratovulkan hoch, klingt nicht viel, aber vom Atlantikufer schaut diese Höhe schon gewaltig aus. Der "Schneeberggletscher", das wäre die Übersetzung ins Deutsche, wurde im Jahr 1753 erstbestiegen. Die mutigen Herren hatten seinerzeit vor allem Angst, dass dort oben die Atemluft zu dünn wird, aber alles ging gut. Heute ist der Berg bei gutem Wetter problemlos zu ersteigen, bei Bedarf und entsprechender Bezahlung gibt es sogar Motorschlittentouren zum Gipfel.
Natürlich ranken sich auch mehrere Sagas um das Geschehen am markanten Vulkan und in seiner Umgebung. Interessanter sind aber auch die Geschichten von Geistern, Elfen, Energiezentren, Kraftlinien, welche dem Snæfellsjökull seinen Ruf als magischen Berg, als einen DER Kraftorte auf Mutter Erde begründen. Das wollen wir hier nicht weiter ausführen, aber von der Magie des Berges waren auch wir gefangen.
Die Küstenlandschaft bei Arnarstapi zog uns aber nicht weniger in ihren Bann. Zunächst mussten wir an Bardur Snæfellsás vorbei, einer riesigen Skulptur aus Steinen, welche den Ort überblickt und beschützt. Bardur war einer der ersten Siedler, mit Trollblut in den Adern und ein ziemliches Raubein dazu. Er verschwand irgendwann im Krater des Snæfellsjökull, wo er heut noch sitzt und seine Schätze bewacht.
Die Steilküste mit ihren Basaltsäulen, ausgewaschenen Höhlen und Felstürmen in der Brandung scheint in Besitz von unzähligen Vögeln zu sein, deren Geschrei selbst den strammen Wind übertönt.
Hätte uns nicht ein typischer isländischer Regensturm vertrieben, wäre unsere Erkundungstour weit intensiver ausgefallen. So hieß es schon nach einer Stunde schnell ins Auto zurück und weiter nach Nordwesten.
Lóndrangar und seine Vogelfelsen, welche einst Vulkanschlote waren und immerhin die beachtliche Höhe von 75 bzw. 60 m aufweisen, schauten wir uns nur von der Straße her an. Danach ging es weiter in Richtung Ólavsvík, in der Hoffnung hier dem Regen zu entkommen.
Der Ort, mit immerhin 981 Einwohnern (2014), war bereits ab 1687 ein bedeutender Handelsplatz, mit Lizenz des dänischen Königs. Heute lebt man hier vom Fischfang, der trotz der Fangquoten immer noch rentabel und ergiebig ist. Interessant sind vor allem die Kirche in Fischform und der Hafen.
Am Fuße des steilen Berges Enni (410 m) lässt es sich sicher gut leben, wenn es denn nicht regnet ;-), dann kann auch der Seemannsgarten besucht werden, ein liebevoll angelegter Park, mit Blumen, Bänken und der Statue eines Fischers, der einen Heilbutt auf dem Rücken trägt.
Grundarfjörður, den nächsten Ort auf unserer Halbinselumrundung, nutzen wir nur für eine Tankpause und für den Genuss des beliebtesten isländischen Snacks, des Hotdogs. An den leichten Schafsgeschmack hatten wir uns schon gewöhnt und so schauten wir genussvoll kauend aus der Tankstelle hinaus in den gerade mal wieder prasselnden Regen. Aber mit dem letzten Bissen hörte auch der Regen auf und das Objekt unserer Begierde, das Wahrzeichen Grundarfjörðurs zeigte sich in voller Pracht. Kirkjufell (463 m), sicher der fotogenste Berg Islands, war uns gnädig und schon wenig später, vielleicht 2 km auf der Anfahrtroute zurück, standen wir an der Stelle, wo wohl schon Millionen Fotos gemacht wurden. Kirchberg, die Übersetzung für Kirkjufell, wohl deshalb, weil seine Form an ein Kirchendach erinnert. Mit dem dazugehörigen Wasserfall, dem Kirkjufellsfoss kann man hier kitschige, aber dennoch wunderschöne Fotos machen. Wir haben sicher jetzt auch 50 davon auf der Festplatte.
Bei schönstem Island-Wetter ging es weiter nach Osten, an der Nordküste von Snæfellsnes entlang. Nächster Stopp Bjarnarhöfn, hier gibt es ein Museum zum Fang des Grönlandhais und zu seiner Verarbeitung zu einer wirklich ganz speziellen isländischen Delikatesse, dem Hákarl. ...und, man kann dieses Leckerli hier auch verkosten!
Der Grönlandhai ist meist nur Beifang und an die 200 Fische werden von Hildibrandur und seinem Sohn Guðjon hier jährlich verarbeitet. Das Fleisch des Hais ist stark ammoniakhaltig. Um es genießbar zu machen, werden die Fische in einem langwierigen Prozess zuerst ausgenommen, entgrätet, gesäubert und gewaschen. Ohne Zugabe von Salz oder Gewürzen werden größere Stücke dann am Strand vergraben oder heute auch in Holzkisten abgelagert. Während zwei bis drei Monaten entweicht dann das Ammoniak aus dem Fleisch. Nun wird es zum trocknen und ausgasen in einer Trockenhütte aufgehängt. Nach weiteren zwei bis vier Monaten ist es dann genießbar. Für gewöhnlich wird Hákarl mit Brennivín serviert und ist ein nicht gerade preiswertes Häppchen.
Als wir auf dem Parkplatz von Bjarnarhöfn die Autotür öffneten, schlugen wir sie sofort wieder von innen zu. Der Duft aus den Trockenhütten ist schlicht und ergreifend umwerfend. Er erinnert eher an ein altes Bahnhofsclo als an eine Delikatessenproduktion. Aber es gab kein zurück! Raus aus dem Auto, rein ins Museum. Hier wurden wir ganz lieb von der Hausherrin empfangen und bekamen auch eine kleine Einführung zur Geschichte des Hofes, zum Fischfang und natürlich zur Hákarl-Herstellung und konnten uns dann in aller Seelenruhe die Ausstellung anschauen. Am Ende des Rundgangs wartete noch die Spezialität zur Verkostung auf uns.
Kerstin hatte schon bei Ankunft auf dem Hof beschlossen nichts zu naschen, also standen mir zwei Kostproben zu. Mit der Nase sollte man vorher nicht zu nah an die Fleischstückchen herangehen, das treibt durchaus Tränen in die Augen. Also ein Stück auf den Spießer und rein damit in den Mund ---- es schmeckt definitiv besser als es riecht. Ich gönnte mir auch Kerstins Portiönchen und war ganz angetan. Etwas salzig, etwas gummiartig, etwas speckig, in Summe sehr eigen, aber keinesfalls furchtbar, wie wir im Vorfeld gewarnt wurden. Den Geschmack hatte ich allerdings den Rest des Tages auf der Zunge und unser Wirt konnte abends gar nicht verstehen, dass ich ohne Brennivín ausgekommen bin.
Nach diesem kulinarischen Abstecher fuhren wir weiter, zu unserer letzten Station auf Snæfellsnes, die Ortschaft Stykkishólmur. Stykkishólmur kommt von Stykkið, einer Schäre, welche in die Hafenmauer mehr oder weniger eingebaut wurde. Mit 1.095 Einwohnern (2014) zählt Stykkishólmur zu den größten Ansiedlungen Islands, außerhalb Reykjavík. Schon 1550 wurde hier eine Handelsplatz eröffnet, unter Herrschaft von Händlern aus Bremen und Oldenburg. Durch die vorgelagerte Insel Súgandisey konnte hier ein natürlich geschützter Hafen angelegt werden. Händler der Hanse, deutscher Adel und dänischer König stritten sich wohl auch deshalb recht ausgiebig in der Vergangenheit um diesen "strategisch" wichtigen Ort. Heute lebt Stykkishólmur hauptsächlich vom Fischfang, insbesondere Schellfisch und Krabben und natürlich vom Tourismus. Von hier geht auch eine Fähre zur Insel Flatey und weiter in die Westfjorde, nach Brjánslækur.
Sehenswert ist mal wieder die neue Kirche und die Altstadt mit vielen historisch erhaltenen Gebäuden. Einige Häuser weisen sogar den Schweizer Stil mit geschnitzten Dachbalken auf! Eine sehr alte Wetterstation, ein Wassermuseum (Säulen mit Wasser aus allen wichtigen Gletschern Islands), das Heimatmuseum und letztendlich der Hafen mit der über einen Damm erreichbaren Insel Súgandisey sollten schon angeschaut werden. Den Leuchtturm auf Súgandisey erreicht man über eine Treppe, welche durch die Basaltsäulen der Insel hinaufführt. Von hier bietet sich ein traumhafter Ausblick auf die dem sich nach Osten erstreckenden Hvammfjörður vorgelagerten Schären, auf den Ort und den Hafen selbst und natürlich auf die Weiten des Breiðafjörður im Norden und Nordwesten.
Ja, dann war unsere Halbinselerkundung schon vorbei und wir machten uns über den Seljafell-Gebirgszug auf die Rückfahrt. Selbst dabei mussten wir noch mehrmals Parkplätze am Rande der Straße aufsuchen, um die irre Landschaft in uns aufzunehmen, z.B. am zugefrorenen See Baulárvallavatn. Ein tagesfüllendes Programm, aber jede Minute, jeder gefahrene Kilometer hat sich gelohnt. Hätte uns der Regen nicht mancherorts etwas zu schnell vertrieben, wären wir wohl erst spät nachts wieder in unserem Quartier angelangt.
Snæfellsnes bietet laut Literatur einen Eindruck als "Island in Miniatur". Bizarre Küstenlandschaften, einsames Hochland, Vulkane, Gletscher, heiße Quellen..., wir können das jetzt bestätigen! Das übliche Islandwetter herrscht hier natürlich auch. Strahlendem Sonnenschein folgt innerhalb weniger Minuten ein Schneeregensturm und umgekehrt. Unglaublich! Unglaublich auch die Menschen in dieser rauen Umgebung. Freundlich, ruhig, zuvorkommend... man muss das einfach erlebt haben.
Einige Eckdaten zu unserer Tour:
Start in Bifröst, an der Ringstraße Nr. 1, nach Südwesten
vor Borgarnes rechts abbiegend auf Straße Nr. 54
der Straße Nr. 54 praktisch im Uhrzeigersinn um Snæfellsnes folgen
dabei werden u.a. Arnarstapi, Ólavsvík und Grundarfjörður passiert
bei Gríshóll nach links auf Straße Nr. 58 nach Stykkishólmur
von Stykkishólmur wieder so zurück und auf Straße Nr. 54 rechts bzw. westlich bis zum Abzweig der Straße Nr. 56
hier links abbiegen und über den Seljafell-Pass Snæfellsnes praktisch überqueren
am Hotel Rjúkandi mündet Straße Nr. 56 wieder in die Nr. 54
hier links abbiegen und Richtung Borgarnes zurück
Wir hatten am Ende des Tages 420 km auf dem Tacho! Alle Straßen waren Ende April 2014 problemlos befahrbar! Nur ganz kurze Teilstücke, z.B. zu den Bjarnarhöfn, waren nicht asphaltiert. Unser mit Spikes ausgerüstetes Allradantriebs-Gefährt zu fahren war somit wie "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen" ;-)