V. Ultramaraton Zielonogórski Nowe Granice (23.02.2019)
Es war mal wieder so weit. Am Nachmittag des 22. Februar beluden wir unser Auto mit allem, was man so für einen Ultra braucht und machten uns auf den nur gut einstündigen Trip zum östlichen Nachbarn. Im schönsten Sonnenschein parkten wir vor dem Org.-Büro des V. Ultramaraton Zielonogórski, einer Turnhalle am Stadtrand von Zielona Góra. Schnell waren die Startunterlagen und alle Informationen zum Lauf beschafft, so dass auch das Briefing um 19.00 Uhr, abgehalten in polnischer Sprache, guten Gewissens geschwänzt werden konnte. Stattdessen und erstmalig, trotz bereits zweimaliger Teilnahme an diesem Ultralauf, enterten wir die City von Grünberg für ein ausgiebiges Sightseeing. Eine schöne, ansprechende Stadt, mit vielen Sehenswürdigkeiten, gepflegten Parkanlagen, tollen Geschäften, kleinen gemütlichen Cafés…. begeisterte, nein beeindruckte uns sehr und die Zeit verging wie im Fluge. Zielona Góra ist demzufolge sicher bald Ziel einer nicht Lauf-bedingten Reise unsererseits. Hier gibt es noch viel mehr zu entdecken und zu erleben, da sind wir uns sicher.
Raceday! 5.30 Uhr, klarer Himmel, statt wohliger Bettwärme nun eisige -6°C. Ich marschierte zum Start, nur gut 10 min von unserem Hotel entfernt, während Kerstin noch eine Weile die Matratze abhorchen konnte. Kurz noch einmal in die Turnhalle zum Aufwärmen, bevor Punkt 6.00 Uhr der Startschuss für die 103,7 km auf den „Neuen Grenzen“ von bzw. um Zielona Góra erschallte. Da ich das Rennen aus den Jahren 2016 und 2018 gut kannte, ging ich recht verhalten an, da bestimmt ein Drittel der 570 niederzuringenden Höhenmeter auf den ersten 5 oder 6 km anstehen. Danach konnte ich es gut rollen lassen, sofern die steinhart gefrorenen Spuren von Traktoren oder Forstmaschinen dies zuließen. Gut gelaunt erreichte ich somit den ersten VP nach 23 km in Jarogniewice. Die Stirnlampe konnte endlich vom Kopf und eingepackt werden, ebenso wanderte die vorgeschriebene Warnweste in den Rucksack. Einen Schluck warmen Tee noch genommen und schnell weiter. Bei -8° C war ein Stehenbleiben auch nicht wirklich lange auszuhalten.
Der folgende Streckenabschnitt führte zunächst durch ein sumpfiges Wald- und Heidegebiet, von den Organisatoren liebevoll „Pool“ getauft. Von „Pool“ war zum Glück in diesem Jahr nicht viel zu sehen. Alles festgefroren und nicht einmal die großen Eisflächen der Vorjahresstrecke waren vorhanden. Ein gutes Vorankommen war also garantiert. Einziges Ärgernis, mein eigentlich gut isoliertes Trinksystem war mal wieder zugefroren. Nach 31 km hatte die Durststrecke, Dank mehr oder weniger akrobatischer Schlauchauftaubemühungen aber ein Ende. VP 2 in Nowy Kisielin, am km 47,5 rückte immer näher und Kerstin konnte mich hier mit frischen Getränken und neuen Riegeln gut versorgen.
Das nächste Stück des Weges brachte auch das nächste Drittel der angesagten Höhenmeter und ist meiner Ansicht nach auch der reizvollste Streckenabschnitt. Ein stetiges Auf und Ab auf teils herrlichen Trails durch eine großartige Landschaft. Laufgenuss pur, der nach 60 km in Jany auf Kopfsteinpflaster und Asphalt ein jähes Ende fand. Am VP 3, nach 62 km dann nur ein kurzer Boxenstopp, bei Bedarf konnte hier auch ein Dropbag stationiert werden und nach einem weiteren Kilometer löchrigen Asphalts ging es wieder auf Feld- und Waldwegen voran. Die Sonnenwärme hatte ein wenig Wirkung gezeigt und die Wege in rutschige Schlammpisten verwandelt. Ein Lerneffekt aus meinen vergangenen Rennen hier war, mit Stöcken zu laufen. Das machte die Schlammpisten nicht besser, senkte aber die Ausrutschgefahr erheblich und ließ mich deutlich besser vorankommen als meine nicht bestockten Mitstreiter. Der Oderdamm und die Oderauen, als nördlichste Punkte des Rennens waren danach noch einmal ein landschaftliches Higlight, bevor die Wege sich schier endlos zum VP 4, am km 80, bei Wysokie hinzogen, einen schönen langen und steilen Anstieg inbegriffen. Kerstin versorgte mich hier noch einmal ordentlich für den Rest des Weges. Der Chefkoch am VP wollte es gar nicht glauben, dass ich seine Suppe verschmähe und nur den puren gekochten Reis essen wollte. Letztendlich bekam ich aber, was ich wollte. Gut gestärkt ging es also auf die Schlussetappe.
Nicht unbedingt ein schönes Stück Weg, vor allem die Passage einer riesigen Kläranlage mit offenen Zuflussgräben war geruchlich ein Albtraum. Nach 90 km, hinter der Ortschaft Przylep, verschluckte mich aber wieder der dichte Wald und in kupiertem Gelände ging es dem Ziel entgegen. Schlammige Wegabschnitte waren bereits wieder festgefroren, ebenso leider wieder auch mein Trinksystem! Nach 95 km, an einem Kontrollpunkt, bekam ich außer meinem Beweis-Armband auch einen Schluck warmen Tee und sogar einen Schnaps angeboten. Letzteren ließ ich lieber dankend bleiben. Nach 98,5 km dann der VP 5. Noch einmal Tee, ein Schluck Cola und nur schnell weiter. Nach 13:31:57 Std. nahm mich Kerstin im Ziel in die Arme. Mit der wirklich schönen Medaille um den Hals ging es schnell Richtung Hotel und unter die warme Dusche… Bier und Pizza warteten schon!
Platz 86 von nur 109 Finishern ist kein Ruhmesblatt, erfüllte mich aber mit Zufriedenheit. 3 UTMB-Punkte verdient und besser als im Vorjahr abgeschnitten, dabei nicht halb erfroren (siehe unseren Bericht aus 2018) sollte eigentlich meinen Frieden mit diesem Lauf hergestellt haben. Drei Mal gefinisht sollte ebenso genug sein. Aber…!!! Eigentlich ist dieses Rennen zu schön, anreiselogistisch zu einfach zu bewerkstelligen, preiswert und dazu mit viel Herzblut organisiert, dass ich wohl doch im nächsten Februar hier wiederauftauchen werde. Zudem haben zwei Lauffreunde schon ihr Interesse bekundet, so dass ich dann auch nicht der einzige deutsche Starter sein werde….
Das Rennen beinhaltete nicht nur die große Runde über 103,7 km, auch eine 56 km Solodistanz, ein Duathlon solo oder als 2-er Staffel sowie eine 4-er Lauf-Staffel standen zur Auswahl. Es besteht also auch 2020 die Chance, die winterliche Kasteiung bei Bedarf etwas weniger umfassend zu gestalten!
Gewonnen haben das Hauptrennen Jakub Śleziak in 8:49:98 Std. und Małgorzata Pazda-Pozorska in 9:29:20 Std. (Gesamtplatz 5 !!!).
Alle Informationen zum Rennen gibt es auf der Website der Veranstaltung.
Zielona Góra hatten wir uns am Freitag schon ein wenig angeschaut, so besuchten wir auf dem Heimweg noch Krosno Odrzańskie eine Kleinstadt an der Oder. Eine Besichtigung der Marienkirche und das Spazieren an der Oder waren eine schöne sonnige Abwechslung zu den Anstrengungen des Vortages.
In Polen gibt es allerhand zu entdecken und zu sehen, die Menschen sind unglaublich freundlich und zuvorkommend. Man muss einfach nur hinfahren... Wir machen das jedenfalls sehr gern wieder!