Hexenstieg Ultra 2017
Zu den vier Wettkämpfen des "Millenium Quest" gehört auch der Ultratrail auf dem Hexenstieg im Harz. Das sollte meine Nummer Drei, nach "JUNUT" und "TorTour de Ruhr" werden. So fand ich mich am 28. April in Osterode ein, um am Folgetag die 218 km von dort nach Thale und wieder zurück in Angriff zu nehmen. Einmal den Harz mehr oder weniger auf dem Hexenstieg von West nach Ost durchqueren und ähnlich wieder zurück. Das Ganze innerhalb 48 Stunden. Die Aufgabe war also klar definiert! Kerstin, als mein fahrender Verpflegungspunkt (diesmal mit dem Auto) und moralischer Aufbauhelfer war natürlich auch mit von der Partie. Mit dabei war auch Aldo, der "nur" die einfache Variante, den Hexenritt, von Osterode nach Thale gebucht hatte und natürlich seine bewährte Betreuerin Almuth.
Mit 30 Minuten Verspätung ging es am Morgen des 29. April auf den langen Weg durch den Harz. Organisatorisches Problem sage ich, Gelassenheit des Ultraläufers sagen andere. Gut 50 Starter hatten sich jedenfalls für diese Unternehmung gemeldet. Viele Bekannte natürlich dabei! Frank, Adrian, Stephan, Dennis.... Von der Startlinie weg gleich mal stramm bergauf zum Eselsplatz. 200 Höhenmeter bis hierher brachten das Blut in Wallung, was bei den 4 - 5°C auch angenehme Körperwärme erzeugte.
Im stetigen Auf und Ab ging es auf gut ausgebauten Forstwegen zum Ziegenberger- und Bärenbrucher Teich und auf dem Damm zwischen beiden Teichen weiter, teils auch etwas trailiger, zum Sperberhaier Damm und dem dazugehörigen Dammhaus. Hier, an Kilometer 19 war auch der erste Verpflegungspunkt eingerichtet. Das war echt gut für die Moral, denn ein Verhauer von reichlich 1 km musste nicht nur von mir hier schon "verdaut" werden. Ob mich der eisigkalt pfeifende Wind oder das sehr spartanische Buffett, welches nur mit viel Wohlwollen als VP zu bezeichnen war, hier sehr kurz verweilen ließ, lass ich mal offen...
Bald schon war der Dammgraben erreicht und auf nebenliegendem Wanderweg führte der Hexenstieg an der Eisenquelle vorbei, immer vom plätschernden Wasser begleitet, bis zum Kilometer 30. Der darauf folgende Magdeburger Weg forderte wieder mehr Einsatz, da steil und vom Charakter her ein echter Trail. Landschaftlich an sich ein Highlight, wenn da nicht unglaublich viele tote Bäume ihre kahlen Stümpfe in den Himmel recken würden. Vom Trail ging es danach wieder auf einen Forstweg und auf diesem nach Torfhaus, der auf 800 m höchstgelegenen Siedlung Niedersachsens. 34 km waren geschafft und im Anmarsch zum etwas besser bestückten zweiten Verpflegungspunkt, weniger ging ja auch nicht wirklich, durchzog ein stechender Schmerz plötzlich meinem linken Fuß.
Kaum waren wir, Dennis und Stephan begleiteten mich schon seit x Kilometern, wieder im Laufschritt in Richtung Brocken unterwegs, meldete sich mein linker Fuß vehement und recht unangenehm. Den Schmerz ignorierend wurde der gut ausgebaute Goetheweg bis zur Schutzhütte Eckersprung gelaufen. Hier zweigte der Kurs scharf links ab und auf dem Pionierweg folgte der steile und tricky Downhill zur Eckertalsperre. Genial zu laufen, wenn da nur der Fuß besser mitgespielt hätte. An der Eckertalsperre oder besser durch sie verlief einmal die innerdeutsche Grenze. Einige der alten Grenzpfähle sind immer noch im Wald zu sehen. Auf der Staumauer dann das Grenzerhäuschen und der Blick zum Brocken, der jetzt im 7 km langen Anstieg zu bezwingen war. 541 Höhenmeter am Stück.
Zum Gipfelsturm ging es zunächst am steilen Ufer der Talsperre entlang, was durchaus seine Reize hatte. Mit dem darauf folgenden Hirtenweg war der Spaßfaktor aber ad acta gelegt. Steil, dem kühlen Wind erheblich ausgesetzt, auf eklig zu belaufenden Betonplatten, wollte das Ende, sprich der Gipfel nicht nahen. Es führen viele geile Trails auf den Brocken, warum muss es so eine öde Piste sein, wo das Rennen doch den Namen Ultratrail führt? Der linke Fuß spielte zu allem Übel nun auch nicht mehr gut mit. Noch 170 km vor der Brust und ein notorischer Schmerz bei jedem Schritt machten mir klar, dass der Hexenstieg Ultra für mich auf dem höchsten Gipfel des Harz zu Ende ist. Leichter Schneegriesel in einer steifen Brise, -0,5 °C, unglaublich viele Touristen und natürlich mein Lichtblick Kerstin empfingen mich auf 1.141 m Höhe.
DNF! Bei vier Starts von Läufen im Harz bzw. dessen Umgebung erreiche ich nur einmal das Ziel. Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber dieses Gebiet sollte ich wohl in Zukunft meiden!? Auch die Startnummer 13 brachte kein Glück. Wenn mich von den Harzer Hexen eine auf dem Gewissen hat, dann war es nicht die Brocken-, eher die Defekthexe.
Während mir Kerstin einen Kaffee und eine Fahrkarte für die Brockenbahn beschafft, ziehe ich mir alle verfügbaren Sachen an, um der Kälte Paroli zu bieten. Positiv betrachtet, wir sind beide zum ersten Mal auf dem Brocken! Zudem ist es der erste erklommene Gipfel 2017. Nüchtern betrachtet, hier müssen wir beide nicht noch einmal hoch. Also runter mit der rappelvollen Bahn bis Schierke, wo unser Auto steht. Die Bahnfahrt hat sicher was, wenn man aber in vom Schierker Feuerstein schwangerer Luft erlebt wie der deutsche Durchschnittstourist seine gute Kinderstube vergisst, ist der Spaßfaktor eher vernachlässigbar. Heilfroh sind wir, als wir der Fuselwolke im Waggon endlich entkommen und zum Parkplatz durch die frische Luft hinabwandern, bzw. humpeln können.
Für Stephan bringen wir noch die Wechselschuhe zum Versorgungspunkt nach Rübeland, bevor wir uns auf die Rückfahrt nach Osterode machen. Eine Dusche wirkt Wunder und mit richtig festen Schuhen kann ich sogar ganz passabel laufen. Wir lassen den Abend bei einem guten Essen und einem Bierchen im warmen Restaurant ausklingen, wo ich doch lieber in der Kälte auf dem Hexenstieg unterwegs gewesen wäre.... Schade nur und das ärgert mich wirklich, das Thema Millenium Quest hat sich für mich jetzt erledigt.
Den Hexenstieg Ultra gewinnen übrigens Simone Stegmaier in 43:54 Stunden und Eckhardt Seher in 31:45 Stunden. Stephan und Dennis kommen unter den nur 26 Finishern auf dem geteilten 16. Platz in 46:29 Stunden ins Ziel. Aldo beißt sich auf dem Hexenritt in 21:27 Stunden ebenfalls durch.
Meine Hochachtung allen die dieses harte Rennen gefinisht haben und auch allen die es versucht, aber so wie ich, aus welchen Gründen auch immer, nicht das Ziel erreichten. Chapeau!!!
Der JUNUT folgt dem Jurasteig, die TorTour de Ruhr dem Ruhrtalradweg, der WiBoLT dem Rheinsteig. Warum der Hexenstieg Ultra nicht immer dem Qualitätswanderweg Hexenstieg folgt, bleibt eins der Geheimnisse des Veranstalters. Wer einen Startplatz gebucht hatte, bzw. für die nächste Veranstaltung bucht, sollte sich im Klaren sein, dass es sich um ein kommerzielles Event handelt. Wenn ich die Ausschreibung der TorTour de Ruhr zitieren darf, "Ein Lauf von Läufern, mit Läufern, für Läufer!" und "Erwarte Nichts, dann wirst du angenehm überrascht sein!", das ist hier Fehlanzeige. Wer diesen Spirit sucht wird hier nicht fündig! Das ist für eine Veranstaltung, die nicht nur die Kosten decken muss, sondern auch einen Gewinn benötigt, allerdings ganz legitim. Wenn ich aber "Nichts erwarte" und noch weniger bekomme, ziehe ich meine Rückschlüsse für die Zukunft. Schade nur, denn der gleiche Veranstalter hat es in der Vergangenheit schon deutlich besser gemacht. Organisation und Versorgung lagen deutlich unter dem erlebten Niveau anderer Läufe. JUNUT, TorTour de Ruhr.... oder ähnliche Ultras in Polen und Tschechien, bieten bei gleichem Einsatz einen qualitativen Quantensprung in allen Belangen. Für den nicht gerade schmalen Taler, welcher zu berappen war, sollte deutlich mehr zu erwarten sein. Aber wer wo unter welchen Bedingungen startet, muss letztendlich jeder mit sich selbst ausmachen. Die Hexenstieg-Läufe kann ich für meinen Teil keinesfalls weiterempfehlen, schon gar nicht an Neulinge im Ultra-Trail-Bereich. Sicher wird das Rennen und sein Veranstalter weiterhin seine Freunde haben. Mit meinem, auf nur einem Viertel der Strecke Erlebten, gehöre ich garantiert nicht mehr dazu.
Ach ja, fünf Tage später die erlösende Diagnose. Der befürchtete Ermüdungsbruch hat mich nicht ausgebremst. Eine Entzündung zwischen Kahn- und Sprungbein war das Problem, äußerst schmerzhaft zwar, aber zeitlich überschaubar auszuheilen. WiBoLT 2017, ich komme!
Hier geht es zu Aldo's Hexenritt-Story!
Und auch Dennis hat einen Bericht zum Hexenstieg-Ultra verfasst.
Fotos: K. + V. Roßberg, *E. Seher, ** S. Marschallek