TorTour de Ruhr 2018 - 230 km
Saisonhöhepunkt! Der sollte es werden, die TorTour de Ruhr 2018! Von all den Läufen, welche ich je bestritten habe, ist dieser derjenige mit dem intensivsten Tiefgang. Schon bei der Nennung des Namens "TorTour de Ruhr" zieht ein Kribbeln durch meinen Körper. Warum? Schwer zu erklären! Die Mischung aus anspruchsvoller Strecke, perfekter Organisation und einem nahezu unheimlichen, ja familiären Flair der Verbundenheit aller Teilnehmer, egal ob Läufer, Crewmitglied oder Helfer, macht aus diesen 230 km entlang der Ruhr etwas ganz Besonderes. Und an diesem „ganz besonderen“ zehrt meine Läuferseele für eine lange Zeit und schmachtet dabei auf den nächsten Termin, der leider nur alle zwei Jahre seine Erfüllung findet, mühsam hin.
Am sonnigen, aber noch empfindlich kühlen Morgen des 19. Mai stand ich also wieder mit meiner One-Woman-Radbegleitungs-Crew Kerstin an der Ruhrquelle nahe dem hochsauerländischen Winterberg und wartete auf den Start. Nachdem wir 2016 die 230 km – Strecke bereits gemeinsam hinter uns gebracht, dabei die Zeitlimits aus verschiedenen Gründen ordentlich strapazierten, sollte es nun etwas schneller, im Grunde aber entspannter voran gehen. Das Gefühl war gut, die Bedingungen top, also stand dem Gelingen eigentlich nichts im Wege.
Uns logistisch zu organisieren war im Vorfeld der TorTour eine nicht wenig anspruchsvolle Aufgabe. Am Donnerstag reisten wir bereits in Winterberg an, logierten dort und stationierten natürlich auch alle Sachen, welche wir für das Rennen brauchten hier. Am Freitag brachten wir unser Auto mit all den Sachen, welche wir nicht benötigten nach Duisburg in die Jugendherberge am Landschaftspark, also in den Zielbereich. Danach sollte es per Bahn wieder zurück nach Winterberg gehen, um dort am Abend die Startunterlagen abzuholen und an der Pre-Race-Party teilzunehmen. So der Plan! Es gab aber die Deutsche Bahn --- und deren Zuverlässigkeit ließ auf dem Dortmunder Hauptbahnhof unsere Reise jäh enden. Nach langem hin und her und fast blank liegenden Nerven saßen wir notgedrungen im Taxi nach Winterberg. Nicht unbedingt preiswert, mangels Alternative aber einzige Chance. Das „Schönertagticket NRW “ erfuhr bei der langen Taxireise durchs malerische Sauerland eine völlig neue, aber seiner Aussage eher entsprechende Bedeutung. Die Abrechnung dazu…, nun…, mit der beschäftigt man sich jetzt in Frankfurt am Main. Letztendlich landeten wir noch pünktlich genug im TorTour Headquarter und der Abend konnte wie geplant verlaufen.
Nicht nur das Gefühl war gut, es ging auch gut! Kilometer um Kilometer wurde abgespult, ein Schwätzchen hier, ein Schwätzchen da, Ratschläge holen, Ratschläge geben und schon war der erste Versorgungspunkt, die Bäckerei in Meschede erreicht. Das reichhaltige Buffet lud eher zu einem langen Verweilen dort ein, nur waren wir ja zum Laufen hier, nicht zum Futtern. Also flink wieder los! Die Sonne stand bereits hoch am Horizont und es wurde langsam Zeit die dickeren Sachen in der Gepäcktasche zu verstauen. Die Getränkevorräte schrumpften jetzt deutlich schneller, aber es lief. Es lief wirklich immer noch gut! Der Weg nach Oeventrop, km 58, zog sich gefühlt etwas länger dahin, die Vorfreude auf ein Bier, alkoholfrei natürlich, machte dies mehr als wett. Ein paar Minuten sitzen, in Ruhe vom prall gefüllten VP naschen und schon ging es weiter. Das Pfingstwetter zeigte sich von seiner besten Seite, was auf den eher bescheiden mit Schatten ausgestatteten Radwegen die Schweißdrüsen auf Hochtouren arbeiten ließ.
Nach 17.00 Uhr erreichten wir den großen VP in Neheim. Warme Nudeln, kühles Bier, ein paar Gespräche mit Läufern der 160 km-Distanz, welche hier um 18.00 Uhr auf die Strecke gingen, die Beine mal kurz ausstrecken und als alter Kaffee-Junkie einen großen Becher meines Lieblingsgetränks schlürfen. Laufen kann soooo schön sein …und die Pausen dabei erst, wenn man schon 82 km in den Haxen hat! Bald darauf waren wir wieder unterwegs. Da meldete sich mein Magen plötzlich in unangenehmer Weise. An Laufen war nicht zu denken. Ich wanderte einige Kilometer mehr als das ich sie lief. Immer mit dem Gefühl, der Kaffee fällt mir gleich aus dem Gesicht. Nach 90 km eine kurze Rast. Kerstin zog sich wärmere Sachen an, ich nutzte die Pause, um einen Riegel zu essen und Cola zu trinken, obwohl mir nach Essen gar nicht zumute war. Wandernd ging es zunächst weiter, gemeinsam mit Christoph, den auch ein paar Unannehmlichkeiten plagten. Wir quatschten über Gott und die Welt und kamen dabei auch wieder in den Laufschritt! Nicht schlecht sogar! …und mein Magen rebellierte nicht mehr! Alles wieder gut und in Fröndenberg, an einer Trinkhalle, konnte ich einem bleifreien Bier nicht wiederstehen.
Hinter Halingen deckte die Nacht ihr dunkles Tuch über die Landschaft, Bayern war dabei das Pokalfinale zu vergeigen und im Schein der Stirnlampe kämpften wir uns durch die plötzlich neblig kühle Landschaft voran. Die ersten der 160 km-Läufer rauschten bald an uns vorbei. Christoph lief mal vor uns, mal passierten wir ihn wieder und im Wechsel von Lauf- und strammen Wanderschritt gelangten wir an den nächsten VP, nach 117 km, bei Schwerte. Warmes Essen in kalter Nacht, ein paar Minuten abruhen und schnell sollte es weiter gehen. Die Kälte lud auch nicht wirklich zum langen Verweilen ein. Kaum stand ich aus meinem bequemen Campingstuhl auf, schwankte plötzlich der Boden unter mir und die Knie fühlten sich an wie aus Pudding. Einen Moment lang dachte ich, mich haut es gleich um. Dann komme ich quälend in die Gänge. Nicht nur mir, auch Kerstin saß der Schreck in den Gliedern. Wandernd ging es 2 oder 3 km voran. Dann kam ich sogar wieder in den Laufschritt. Leider nicht für längere Strecken. Einer Schnecke gleich quälte ich mich voran. Lief teilweise Schlangenlinien und musste mit Atemnot stehen bleiben. Ein Kreislauf der einen nicht geradeaus laufen lässt, ist auch kein Kreislauf mehr! Kerstin war angst und bange, dass es mich umwedelt. Letztendlich, nach unendlich langen 2 ½ Stunden für 15 km, saß ich im Strandhaus am Hengsteysee und wurde von Kerstin umsorgt und von einem Sanitäter gecheckt. Eine gute Stunde später ging es mir zwar besser aber immer noch nicht gut. Wir warteten noch den Start der 100 km-Läufer ab um zu entscheiden, ob es für mich weitergeht. Auf Anraten, man kann auch besser sagen gut zureden des Sanis und von Kerstin, lasse ich die TorTour 2018 schweren Herzens hier für mich enden. Das Risiko, dass ich mich selbst auf den letzten 100 km abschieße, war in meinem Zustand einfach zu groß.
Aber wie kommen wir vom Hengsteysee nach Duisburg zur Jugendherberge und zu unserem Auto, so fast noch mitten in der Nacht? Thomas ist unser ewiger Dank sicher für diesen Transport! Sogar Kerstins Rad ging mit uns auf diese Reise. Wir konnten nun hautnah das erleben, was die TorTour auszeichnet, Teamspirit und Selbstlosigkeit!!! Kurz nach 5.00 Uhr in der Frühe standen wir vor der Jugendherberge. Alles verschlossen, kein Mensch zu sehen. Um an unser Auto zu kommen, müssten wir über einen Zaun klettern. Beim Anblick der Videoüberwachungsanlage ließen wir es lieber bleiben. Polizei hätte uns zu unserem Glück auch noch gefehlt. Nach 6.00 Uhr begann eine Küchenfrau in der Herberge ihr Schaffen. Wir machten auf uns aufmerksam und kamen somit endlich in warme Räumlichkeiten und, wir konnten es kaum glauben, zu einer Tasse Kaffee, und einem Frühstück mit extra für uns aufgebackenen Brötchen! Wow!!! Nach 7.00 Uhr gab es an der Rezeption den Schlüssel für den Parkplatz und wenige Minuten später schliefen wir zwar unbequem, aber tief und fest in unserem Auto.
Der Rest der Geschichte…. Zur Mittagszeit durften wir in der Jugendherberge duschen, bekamen bald darauf unser Zimmer. Verstauten unsere Sachen inklusive Fahrrad wieder im Auto und machten uns auf dem Weg zum Rheinorange, dem Ziel der TorTour de Ruhr! Wenn ich es schon nicht geschafft hatte nach 230 Laufkilometern hier anzuschlagen, wollte ich die orange Säule wenigstens sehen und mal ordentlich gegentreten. Damit war dann auch die TorTour für mich vorbei und mein innerer Frieden wiederhergestellt! Zumindest fast, denn ich wollte mit meinem Finish als Läufer von diesem Event Abschied nehmen. Mit einer „Unvollendeten“ geht das natürlich nicht! Da nun zu meinem Glück die Entscheidung gefallen ist, dass Pfingsten 2020 eine weitere Auflage stattfindet, bin ich froher Hoffnung wieder eingeladen zu werden und somit diese Scharte auswetzen zu können. Dass die TorTour kein Kindergeburtstag ist, habe ich nun am eigenen Leibe deutlich gespürt und werde demzufolge besser wiederkommen!
Dann kommt natürlich noch was kommen muss und was ich auch mit ganzem Herzen mache, Danke zu sagen, an Jens, Ricarda und ihr gesamtes Team für eine wunderbare Veranstaltung, an Thomas für unseren Transport nach meinem DNF und natürlich an meine liebe Kerstin für die Schinderei (und die Schreckmomente) als meine Radbegleitung…. Save the date 30.-31.05.2020!
Hier noch die Sieger der Veranstaltung:
100 km (81 Starter / 74 Finisher)
Annette Hausmann / 09:24:56 Std.
Rafael Rodriguez Baena / 08:15:42 Std.
160 km (54 Starter / 39 Finisher)
Christina Frey / 22:15:43 Std.
Jens Uwe Brack / 18:00:40 Std.
230 km (106 Starter / 59 Finisher)
Antje Müller / 28:48:27 Std.
André Blumberg / 24:14:56 Std. (Streckenrekord)
Thorsten Stelter lief die Strecke Duisburg - Winterberg - Duisburg = 460 km in 103:14:00 Std.!!!
Mehr Infos unter www.tortourderuhr.de