Im Schatten des Similaun oder Stippvisite an der eisigen Grabstätte des Mannes vom Hauslabjoch
Ohne einen kleinen Exkurs in die Geschichte lässt sich die folgende Tour fast nicht beschreiben. Also aufgepasst: Am 19. September 1991 wurde eine etwa 5.300 Jahre alte Mumie beim Tisenjoch, nahe dem Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen, oberhalb des Niederjochferners, in 3.210m Höhe gefunden. Dieser "Mann aus dem Eis" oder "Frozen Fritz", wie er in England genannt wird, kann jetzt im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen besichtigt werden. Die Mumie ist dahingehend eine Sensation, da sie die besterhaltene, auf natürlichem Wege konservierte Leiche aus der Zeit um 3340 v.Chr. in Mitteleuropa ist. Da der Fundort auf dem Grenzverlauf zwischen Österreich und Italien liegt, stritten sich beide Staaten lange Jahre um den Besitz der Mumie. Schließlich einigte man sich aber auf Italien, sprich Südtirol. Übrigens fand ein Nürnberger Bergwanderer - Ehepaar den Leichnam und der Gröbaz*, der sich gerade auf Südtirolumrundung befand, stieg sofort zur Fundstelle auf und brachte die Vermarktungsmaschinerie so richtig in Gang. *größter Bergsteiger aller Zeiten = Reinhold Messner
Die nahe dem Fundort gelegene Similaunhütte verzeichnet seit dieser Zeit wohl ungeahnte Besucherzahlen. Auch das o.g. Bozener Museum ist seit dieser Zeit sehr stark frequentiert. Die Spekulationen über die Todesursache unseres "Frozen Fritz" ändern sich auch jährlich, wobei sich mittlerer Weile wohl fast nachweisen lässt, dass der arme Kerl mehr oder weniger hinterrücks ermordet wurde. Die Spitze eines Feuerstein-Pfeils nahe dem Herzen ist der Beweis. Der Grund dieser Tat und auch der Mörder wird aber eher nicht zu ermitteln sein ;o)
Nahe der Fundstelle wurde ein Denkmal errichtet, ein schöner Obelisk. Hier kann man auch in einer Art Gipfelbuch seine Anwesenheit vor Ort bestätigen.
Über die Nationalität von Ötzi gibt es derweil einige weniger ernste Vermutungen. "Ein Italiener war er nicht, denn er hatte eigenes Werkzeug dabei. Ein Österreicher kann er auch nicht gewesen sein, denn man hat Hirnreste gefunden. Vielleicht war er ein Schweizer, schließlich wurde er vom Gletscher überholt. Aber wahrscheinlich war er Deutscher, denn wer geht schon mit Sandalen ins Hochgebirge!"
Aber nun endlich zu unserer Tour. Am 27. Juli 2006 starten wir, Kerstin, Paul, Andy, Petra, Joe und Volker in Vernagt im Schnalstal unsere Wanderung. Nicht weit von der Staumauer des Vernagt-Stausees entfernt, erreichen wir den Tisenhof, auf bereits 1.814m. Der Ausblick ist allererste Sahne und der Wettergott gibt sein Bestes. Da dauert es auch gar nicht lange, bis der Schweiß in Strömen rinnt, obwohl der Weg durch das Tisental recht moderat aufwärts geht. Ein paar kleine Päuschen müssen schon eingelegt werden, um alle bei Laune zu halten. Vor allem als es im Talschluss durch Geröllfelder, nun weniger moderat, dafür teils recht ausgesetzt, stramm hinauf zum Niederjoch und zur Similaunhütte geht. Hier entschädigt aber erstens der Ausblick auf den Similaun und die umgebenden Gletscher und zweitens ein leckerer Gerstensaft für die Strapazen.
Nach ausgiebiger Pause führt nun der Weg erst einmal ein gutes Stück abwärts, immer am Rand des Niederjochferners entlang, in Richtung Vent. Immer im Angesicht des Similauns, der Marzellspitzen und der Hinteren Schwärze, geht es dann bald Richtung Westen, wieder aufwärts, zum Hauslabjoch. Anfangs noch auf Steigspuren, verliert sich bald der Weg und der Aufstieg wird anstrengend. Zum einen, weil es auf fast 3.300m hinaufgeht, zum anderen, weil der Untergrund alles andere als ein Wanderweg ist. Aber die Mühe wird belohnt, wenn die Hochfläche des Hauslabjochs erreicht ist und im Schatten des Obelisken die dünne Höhenluft gaaaanz tief eingeatmet werden kann. Zur Freude über das Erreichen des Tagesziels, gesellte sich aber gleich darauf das Erschrecken über den Gletscherschwund. Dort wo vor wenigen Jahren noch Schnee und Eis war, findet sich nur noch Schutt und Gestein. Unsere Tour vom Juli 2001, zu Similaun und Finailspitze, wird wie damals, fast ausschließlich als Gletschertour, wohl nie wieder im Sommer durchführbar sein.
Zum Abstieg wählten wir, entgegen der Empfehlung der Wirtin der Similaunhütte, den kürzeren Weg, über den Grat, zum Niederjoch. Anfangs war auch dies ganz beschaulich, denn es ging durch Schnee und weiterhin konnten die Blicke tief ins Tisental schweifen, bis zum Vernagt - Stausee. Ein paar leichte Klettereinlagen waren auch noch ganz lustig, weniger lustig war dagegen der Grund der Warnung der Hüttenwirtin. Ein Bergrutsch hatte einen Teil des Weges quasi weggespült und nur mit großer Vorsicht und einigen artistischen Einlagen gelang es uns, diese Stelle heil zu meistern. Heilfroh, nur mit einem schmutzigen Hosenboden davongekommen zu sein, konnten wir allesamt vor dem Talabstieg dann noch ein Bierchen in der wärmenden Sonne an der Similaunhütte genießen. Das Erlebte sorgte und wird sicher noch zu manch anderer Gelegenheit für Gesprächsstoff sorgen, schon oder vor allem darum, weil es die erste (und hoffentlich nicht die letzte) hochalpine Erfahrung von Petra, Andy und Joe war....
Die technischen Daten:
Zufahrt:
Aus Richtung Bozen / Meran oder vom Reschenpass kommend, nach bzw. vor Naturns, von der Staatsstraße 38 nördlich ins Schnalstal abbiegen. Die Straße weiter, bis in der Gemeinde Vernagt die Staumauer des Vernagt - Stausees erreicht wird. Hier kostenfrei parken
Zu- / Abstieg:
Direkt vom Parkplatz, auf Weg Nr. 2 am Tisenhof (1.814m) vorbei, hinein in das Tisental. Diesem Weg folgen, bis auf das Niederjoch und zur dortigen Similaunhütte(3.017m). Von hier auf Weg Nr. A2 Richtung Vent absteigen, bis zum westlichen Abzweig Hauslabjoch / Ötzi - Fundstelle. Von dort anfangs Steigspuren und Steinmännern folgen, zum Schluss weglos hinauf, zum unübersehbaren Hauslabjoch(3.283m). Abstieg zum Niederjoch über den Grat, der rot / weißen Markierung folgend. (Der Weg soll wieder instandgesetzt sein). Ab Niederjoch /Similaunhütte den Aufstiegsweg wieder hinab.
Zeit:
Wir haben, mit in Summe ca. 1 1/2 Stunden Pause, 8 1/2 Stunden benötigt.
Charakter:
Vom Tisenhof bis zur Similaunhütte ist der Weg, abgesehen vom letzten Steilstück, recht moderat. Für das Steilstück sollte dann schon Trittfestigkeit und Schwindelfreiheit vorausgesetzt sein. Der Weg zum und vom Hauslabjoch beinhaltet leichte Blockkletterei und die merklich dünnere Höhenluft ist deutlich zu spüren.
Karten / Literatur:
Kompass-Karte Nr. 051, Naturns - Latsch, 1:35.000
Vom Ortler zum Similaun -Vinschgauer Schutzhütten und ihre Gipfelziele, Wolfgang Jochberger und Herbert Pardatscher-Bestle, Verlagsanstalt Athesia Bozen, ISBN 88-7014-956-0
Ausrüstung:
festes Schuhwerk (Bergstiefel) und entsprechende Kleidung incl. Wechsel- und zusätzlichen wärmenden Sachen
Unterkunft:
Die Tour bietet sich auch an, wenn Similaun (noch großteils Gletschertour) und Finailspitze (Grat- / Blockkletterei) bestiegen werden sollen. Dann ist eine Übernachtung auf der privat bewirtschafteten Similaunhütte angebracht. Tel. Italien 0473/669711.