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Zielonogórski Ultramaraton 27.02.2016

2. Zielonogórski Ultramaraton "Nowe Granice" (PL)

13. Januar 2016, Verlosung der Startplätze für den UTMB im August. Die E-Mail die mich erreicht ist ernüchternd. Ich bin nicht dabei! Also für 2017 der nächste Anlauf. Das Problem ist nur, vier meiner Qualifikationspunkte fallen aus der Wertung, weil aus 2014 und damit zu alt. Wo bekomme ich nun die verdammten vier Punkte wieder her? Die lukrativsten Sachen sind ausgebucht oder terminlich nicht machbar. Aber dann, ich traue meinen Augen kaum, entdecke ich im Internet den Zielonogórski Ultramaraton Nowe Granice. Das Naheliegende ist doch immer so schwer zu finden. Eine reichliche Stunde Autofahrt und ich könnte am Start stehen. Nach einigen Überlegungen wollen Kerstin und ich ein verlängertes Wochenende in Polen anpeilen. Wir buchen uns eine Unterkunft in Zielona Góra, zu deutsch Grünberg und hoffen auf angenehmes Wetter am 27. Februar. Aldo, dem ich von der Sache berichte, entscheidet sich nach anfänglichem Zögern ebenfalls mitzukommen, denn ein Trainingslauf von 103 km mit 570 Höhenmetern kann so schlecht nicht sein, für das, was da so 2016 noch kommt. Kerstin freut es, denn mit Almuth an ihrer Seite lässt sich der Tag, sozusagen als unsere gemeinsame Crew, besser verbringen.

So stehen wir am lausig kalten Februarmorgen im Schnee von Zielona Góra und warten sehnsüchtig auf den Startschuss, der dem Frösteln ein Ende bereiten wird. Bei einer tollen Show aus Nebelschwaden, Pyrotechnik und cooler Musik wird dann heruntergezählt und es geht zunächst auf eisglatten Wegen aus der Ortslage hinaus ins ersehnte trailige Gelände.  Einen Großteil der positiven Höhenmeter der "Neuen Grenzen von Grünberg" gilt es gleich auf den ersten Kilometern niederzuringen. Frisch im Rennen kein Problem, aber es ist schon ein wenig ruppig. Schnee, Wurzeln, Singletrails, bis nach 8 km gute, hartgefrorene Waldwege ein flinkeres Vorankommen ermöglichen. Die Sonne hat sich mittlerer Weile über den Horizont geschoben und taucht die Landschaft in herrliche Winterfarben. Für Romantik sind wir aber nicht hier und mit ordentlich Hackendampf wird der VP1 in Jarogniewice (km 23) anvisiert. Ein warmer Tee und ein Marmeladenbrötchen dort wirken Wunder, obwohl mir ohne Handschuhe gleich die Finger gefrieren. Aldo lässt es etwas gemütlicher angehen und peppt ganz nebenbei sein Englisch auf, da er lange Zeit mit einem Ultra-Pärchen aus den USA gemeinsam läuft. Nach dem VP folgt bald ein recht moorastiges Gelände. Der Frost war nicht streng genug, so dass einige Modderlöcher und Gräben nicht zugefroren sind. Prompt gelingt mir ein Sprung über einen Graben etwas zu kurz und schon stehe ich mit einem Fuß in der eisigen Brühe... Einzige Rettung ist Hitze von innen zu erzeugen, sprich weiter Gas geben! Nach 30 km spricht mich ein Läufer an. Ich gebe ihm zu verstehen, dass ich nicht polnisch spreche. Er auch nicht sagt er in bestem Deutsch! Es ist Adrian, ebenso wie ich ein TorTour de Ruhr-Teilnehmer 2014 und 2016. Wir laufen fast 15 km gemeinsam... und bei unserem Schwätzchen merken wir gar nicht, dass wir eigentlich viel zu schnell unterwegs sind. Die Marathonmarke passieren wir nach 3:59 Std.! Dringende menschliche Bedürfnisse trennen dann aber unseren gemeinsamen Lauf und Adrian finisht letztendlich als bester von drei Deutschen!


Nach 47 km dann der VP2 - Nowy Kiesilin. Kerstin und Almuth erwarten mich hier erstmals. Verpflegung fassen, warmen Tee trinken, ein paar Happen essen und schon geht es weiter. Wir befinden uns jetzt westlich von Zielona Góra und der zweite bergige Teil des Trails erwartet uns. Die Wege sind etwas gutmütiger, allerdings hat die Sonne den gut hartgefrorenen Boden jetzt aufgeweicht und einige schlammige Passagen erfordern volle Aufmerksamkeit. In einer kurzen Downhillpassage gebe ich wohl zu viel Druck auf die Sohlen und lege eine glatte Bauchlandung hin. Die Knie und die Hände sind nun kohlrabenschwarz, so wie der Boden hier in der Gegend im Allgemeinen. Kurz geschüttelt und weiter geht es. Nach den Hügeln folgt eine längere Asphaltstrecke bis zum VP 3 in Stozne (km 62). Endlich ein warmes Süppchen in der offiziellen Dropbag-Station. Kerstin und Almuth sind nicht da. Aber ich habe noch genug Verpflegung bis zum nächsten VP und schlage mir auch den Magen noch ordentlich voll. Nach Stozne wird der Lauf dann eine kleine Sauerei.

die Oder, nördlich von Zielona Góra

die Oder (Odra) nördlich von Zielona Góra


Fast bis zum Oderdamm, dem nördlichsten Punkt des Laufes, bestehen die Waldwege aus knöcheltiefem schwarzen Schlamm. Ein Laufschritt ist zu riskant, da permanente Erdungsgefahr besteht. Also hilft nur Kampf-Wandern! An der Oder dann endlich wieder festes Geläuf. Die Rennsteig-Supermarathon-Marke passiere ich nach 8:03 Stunden (72,7 km). Es läuft und meine Planung unter 12 Stunden im Ziel zu sein könnte passen. Aber kaum geht es wieder südwärts, geht das Problem mit dem Modder wieder los. Hier lasse ich reichlich Zeit liegen. 

 

Nahe Wysokie dann der VP 4 (km 80). Kerstin und Almuth stehen zu meinem Erstaunen hier. Aldo statt meiner hatten sie erwartet, wenn man VP 3 mit VP 4 verwechselt kann das schon vorkommen :-) Also hatte auch Aldo in Stozne keine aufbauenden Worte von den beiden gehört und nix von der Eigenverpflegung bekommen. Macht aber alles nix, wir haben es überlebt. Nun noch ein Mal ordentlich Nachschub gefasst, reichlich Tee nachgetankt und wieder hinein ins Gelände. Gute Waldwege jetzt, auch ein wenig Asphalt, aber es wird dunkel! Meine Zielzeit kann ich knicken und jetzt nur noch schauen was so geht. Ab km 95 gilt es eine lange verschneite und vereiste Bergaufpassage zu meistern. Ich merke jetzt schon ein wenig in meinen Knochen das der Lauftag lang war! An VP 5 (km 98) am Stadtrand von Zielona Góra ziehe ich glatt vorbei. Erst als mich ein Spaziergänger anspricht und ich mich umdrehe, sehe ich das Zelt mit den Leckereien für die letzten Kilometer. Gefühlt einen Liter Cola eingefüllt und weiter geht es. Stockdunkel ist es jetzt. Die Wegmarkierungen sind schlecht zu sehen. Ich brauche tatsächlich noch mein Navi um das Ziel zu finden. Aber dann endlich.... Kerstin steht halb erfroren hinterm Zielbogen und feuert mich mit noch so einigen Zuschauern auf den letzten Metern an. Geschafft! Ich will jetzt nur noch warm duschen....

 

Nachdem mein "Normalzustand" wieder hergestellt ist, kommt auch Aldo im Quartier an. Ebenso wie ich, geschafft, verdreckt, aber glücklich und zufrieden. Vier UTMB-Punkte stehen nun auf unseren Konten!

Die deutschen Zielzeiten: Adrian = 11:04:14 Std. / Platz 14, Volker = 12:43:06 Std. / Platz 54, Aldo = 14:28:22 Std. / Platz 98. 

Alle Informationen zum Lauf gibt es unter  http://nowegranice.pl, auch in Englisch! Die Veranstaltung ist sehr gut organisiert. Übernachtungen in den örtlichen Hotels sind gut und preiswert. Auch in der Schule, in welcher das Org-Büro seinen Sitz hat, kann in Klassenräumen auf mitgebrachten Iso-Matten übernachtet werden. Duschräume stehen ebenso zur Verfügung, wie eine angemessene Versorgung nach dem Lauf. Das Briefing am Vorabend erfolgt auf Polnisch, für Ausländer gibt es anschließend noch eine englische Version. Außer uns drei Deutschen waren 2016 zwei Ukrainer, zwei Dänen und zwei US-Amerikaner gemeldet. Zu der kompletten Runde über 103 km werden auch Staffeln zu zwei und vier Läufern angeboten. Die Strecke ist technisch eher unschwierig, holt ihre Härte aber aus der Länge und den winterlichen Bedingungen. Im Vergleich mit anderen 4-UTMB-Punkte-Läufen ist sie aber eher als leicht einzustufen! ...wobei sie erst mal gelaufen werden muss! Von 162 Startern im Einzelwettbewerb erreichten nur 114 das Ziel!!!


Noch viel mehr zum Lauf findet ihr auch auf dem Facebook-Auftritt "Nowe Granice" und natürlich auch im Bericht von Aldo, dem Mitstreiter und Miterkunder der "Neuen Grenzen"!   

Die Fotos stammen von K. & V. Roßberg, A. Bergmann, A. Dictus, A. Rewig, *Veranstalter, **A. Szarowar           

Jarogniewice

Feuchtbiotop nach Jarogniewice