Zimowy Ultramaraton Karkonoski (PL) - 07.03.2020
Den Riesengebirgskamm bei schönstem Winterwetter zu belaufen, war schon 2019 mein Wunsch. Einen Startplatz für den Zimowy Ultramaraton Karkonoski hatte ich seinerzeit zwar ergattert, nur war das Rennen damals auf Grund eines eintreffenden Orkantiefs stark verkürzt worden. Für 2020 gelang es mir erneut, über den Umweg der Warteliste, einen der begehrten 430 Plätze zu erhalten. Die Freude war dementsprechend groß und die Hoffnung auf gute Bedingungen noch größer.
Bei trockenen aber weniger schönen Bedingungen reisten wir, also Kerstin und ich, am Vortag des Rennens in Karpacz an. Ein starker und kühler Wind verursachte uns die Jackenkragen hochzuschlagen und die Mützen tief ins Gesicht zu ziehen. Ein kurzer Abstecher nach Jakuszyce, einem Ortsteil von Szklarska Poręba, zugleich Startpunkt des Rennens, ließ meine Mundwinkel wenig später nach unten gleiten. Neblig trübes Wetter und dazu triefend nasser Schnee versprachen am Neuweltpass, auf 886 m ü. NN, für den Folgetag nicht wirklich Gutes. Hier, an der Grenze zwischen Iser- und Riesengebirge beginnt zugleich der Riesengebirgskamm, auch als Preußischer oder Schlesischer Kamm bekannt, der sich mehr oder weniger östlich über das Hohe Rad (1.509 m) und die Schneekoppe (1.603 m) bis zum Okraj-Pass (1.046 m) bei Malá Úpa hinzieht. Auf tschechischer Seite, 7,5 km nordwestlich von Špindlerův Mlýn, beginnt auch, so ganz nebenbei, als kleines Rinnsal die Elbe ihren Lauf.
Raceday! Es regnet leicht, als ich mich vom Hotel in Richtung Busabfahrt aufmache. Gemeinsam mit Thomas, ebenfalls ein Mitstreiter aus dem Vorjahr, ertrug ich den Ausrüstungscheck im Nieselregen, bevor der Bus bestiegen werden durfte. 45 min später war es mit der Wärme dann vorbei. In Jakuszyce hieß es raus in die Kälte. Der Start wurde, aus welchen Gründen auch immer, 15 min nach hinten verlegt. Zum Glück ergatterte ich einen Platz in einer Pistenbar, der mir wenigstens den kalten Wind vom Hals hielt.
7:45 Uhr endlich ging es los! Die Kälte schwand schnell aus den Gliedern, auch wenn es bald nur im Gänsemarsch voranging. Der Weg zog sich zwar nicht stramm, aber stetig aufwärts! In der ersten Bergabpassage, einem sehr trailigen Bachbett, brach ich in einem Moment der Unaufmerksamkeit durch die Schneedecke und steckte mit beiden Füßen im frischen Gebirgswasser. Ich war pappesatt und wollte, dank der eiskalten Füße, am liebsten sofort aussteigen. Aber wo, wie und vor allem wohin…? Also weiter! Zum Glück hatte ich keine Gore-Schuhe, so dass das Wasser diese wenigsten so halbwegs wieder verlassen konnte. Das „Patschen“ bei jedem Schritt sollte mich aber fortan dauerhaft begleiten.
Hala Szrenicka (1.195 m) – nach 9 km der erste VP. Durch den steilen Aufstieg der letzten km war ich gut durchgewärmt und voller Hoffnung auch die Füße warm zu bekommen. Also nur kurz einen Becher Tee nachgefüllt, als Kraftstoff eine halbe Banane dazu und weiter. Nun direkt auf dem Kamm ging es aber weitaus beschwerlicher voran. Der Wind pfiff mehr als ordentlich und verwehter Schnee erschwerte das Vorankommen doch deutlich. Die wenigen laufbaren Passagen waren immer ein Genuss, da hier wenigstens etwas Wärme den Körper durchströmte. Am Gipfelaufbau des Hohen Rad hatte ich dann aber derartige Eisfüße, dass mir richtiggehend schlecht war. Bald kam ein Abstecher vom Kamm hinunter in Richtung Špindlerův Mlýn. Eine Streckenverlegung von ca. 2 zusätzlichen Kilometern, die mir aber auf Grund der windgeschützten Lage entgegenkam. Der Rückweg zum Grat und zum VP 2 beim Schronisko Odrodzenie (1.236 m) war danach zwar anstrengend aber gut zu laufen. So beschloss ich dann auch weiterzumachen. 2 Tassen warmer Tee dazu Butterbrot mit Erdbeermarmelade und Schokoladenkrümeln gaben mir Kraft. Die war auch bitter nötig, der Weg über das Kleine Rad zum Schlesischen Haus, am Fuß des Gipfelaufbaus der Schneekoppe, saugte mich leer, wie einst der deutsche Touri die Sangria-Eimer auf Malle. Im Schneesturm und teilweisem Whiteout kämpfte ich mich mit zwei polnischen Läufern gefühlte Ewigkeiten von Wegmarkierung zu Wegmarkierung, bis das rettende Gemäuer, der VP 3 im Dom Śląski, endlich in Sicht war. Etwas Warmes zu trinken, ein Teller warme Nudeln und schon musste ich wieder raus, der Cut off war nah. Keine Chance meine vereisten Schuhe auszuziehen und die Zehen wieder zu beleben.
Der Weg zur Schneekoppe gehört zum Härtesten was ich jemals gelaufen bin. Im Schneesturm blieb kaum Luft zum Atmen. Die Graupelkörner flogen wie aus einem Sandstrahlgebläse ins Gesicht. Durch Schneewehen, über vereiste Pflastersteine, teilweise an den Ketten hochziehend, kam ich letztendlich oben an. Ein einsamer Streckenposten begrüßte jeden mit einer Umarmung und wies den Weiterweg. Im 5 m – Abstand steckten jetzt Markierungen, anders wäre der Trail auch nicht zu finden gewesen. Mehrmals haute mich der Wind einfach so um, bis in niederen und etwas geschützteren Lagen eine bessere Vorwärtsbewegung möglich war. Sobald machbar, ging ich wieder in den Laufschritt über, um dem drohenden Cut off am Okraj-Pass zu entgehen. Eine gute halbe Stunde davor verlies ich den VP 4 wieder und kam jetzt endlich auch ganz gut zurecht.
Bis nahe Kowary, dem nächsten Talort, gab es nun gut 600 m Downhill. Meine Gamaschen tauten langsam auf und in den Zehen machte sich wieder etwas Gefühl breit, auch wenn es eher Schmerz war. Bald gab es keinen Schnee mehr, dafür nasse Waldwege. Etwas dreckig machen muss man sich schließlich bei so einem Läufchen auch. Der Letzte Anstieg, auf gut 900 m ü. NN war noch einmal zäh und eklig bevor im Downhill Karpacz erreicht wurde. Auch hier, mittlerer Weile im Stirnlampenlicht, galt es noch einige Höhenmeter auf verwinkelten Wegen zu machen, bevor die abschüssige Hauptstraße ins Ziel leitete.
Von 405 Startern erreichten 390 das Ziel. Ich rangierte mich auf Platz 383 ein, schlecht wie nie, aber ich hatte es geschafft, das war alles was zählte. Thomas, der ebenfalls ordentlich leiden musste, war gut 15 min vor mir vor Ort.
Auf das übliche Bier im Ziel verzichtete ich dieses Mal. Nur ins Hotel und unter die warme Dusche…. Ich wusste gar nicht wie weh es tun kann, wenn eiskalte Füße Wärme abbekommen und wieder durchblutet werden. Ein Zeh hatte leider einen größeren Schaden abbekommen, der mich wohl noch länger beschäftigen wird. Reinhold-Messner-Füße werde ich wohl aber nicht bekommen.
Am nächsten Morgen wecken uns die Sonnenstrahlen eines wolkenlosen Himmels! Warum konnte das nicht am Raceday so sein? Ein wenig Genuss musste nun auch noch sein. Außerdem hatten wir den internationalen Frauentag! Wir fuhren bis nach Malá Úpa und genossen die Sonne im blendendweißen Schnee, schauten uns ein Stück der Rennstrecke vom Vortag an, bei kristallklarer Sicht zur Schneekoppe und beendeten unsere Expedition ins Riesengebirge bei Käsekuchen und Cappuccino, mit dem Entschluss wiederzukommen!
Alle Infos zum Rennen gibt es auf der Website der Veranstaltung. Fotos und Berichte dazu auch auf der zugehörigen Facebook-Site.
Die Streckenlänge betrug 2020 offiziell 57 km. Meine Aufzeichnungen sagten 58,1 km bei gut 2.900 hm im Aufstieg. Ich war dafür 10:49:52 Stunden unterwegs.
Die Siegerin: Katarzyna Solińska 6:19:58 Stunden
Der Sieger: Maciej Dombrowski 5:24:35 Stunden
Wie das geht, erschließt sich meinem Vorstellungsvermögen nicht wirklich…
Danke für die Verwendung von Fotos für diesen Bericht an den Veranstalter, an Bikelife, an Karolina Krawczyk Fotografia, an Jan Nyka photography und an Fotografia Oleszak: